Angebote für psychosoziale Fachkräfte
Wenn Sie als psychosoziale Fachkraft, z.B. als Erzieher*in, Lehrer*in, Heilpädagog*in, Sozialpädagog*in, Ärzt*in oder Psychotherapeut*in bei einem Mädchen, einer Jugendlichen oder einer jungen Frau den Verdacht von sexuellem Missbrauch oder erfahrener sexualisierter Gewalt haben und dazu eine Beratung wünschen, können Sie sich an Wildwasser Würzburg e. V. wenden.
Wir haben auf diesen Seiten einige Hinweise zu häufig gestellten Fragen zusammen gestellt. Diese sollen ein persönliches Beratungsgespräch jedoch nicht ersetzen.
Vereinbaren Sie dazu bitte vorab einen persönlichen Beratungstermin.
Sexueller Missbrauch macht sprachlos
Sexueller Missbrauch schadet Mädchen immer.
Da Täter*innen häufig aus dem engsten familiären Umfeld kommen und den Mädchen in der Regel ein Schweigegebot auferlegen, versuchen viele Mädchen, mit Hilfe von nonverbalen Hinweisen und Signalen, auf das Erfahrene aufmerksam zu machen. Oft drohen Täter*innen damit, dass dem Mädchen niemand Glauben schenken würde oder dass die Mutter sich umbringen würde, wenn die Tochter das Geheimnis bricht.
Mädchen, die diese Gewalt erfahren müssen, können das Erfahrene oftmals nicht einordnen oder haben keine Worte dafür.
Sie fühlen sich dem*der Täter*in gegenüber verantwortlich, fühlen sich schuldig und schämen sich oder haben einfach große Angst, über ihre Qualen zu reden.
Oft bleibt einem Mädchen in ihrer Hilflosigkeit keine andere Wahl, als „auffällig“ zu werden und auf diese Weise auf ihre Not aufmerksam zu machen.
Umgang mit Verdachtsfällen
Psychosoziale Fachkräfte sind häufig neben den Familienmitgliedern die dem Mädchen nahestehendsten Erwachsenen. Erzieher*innen und Lehrer*innen sind neben den Eltern in der Regel diejenigen, die die meiste Zeit mit dem Mädchen verbringen und am ehesten Veränderungen bemerken können.
Leider gibt es keine eindeutigen Symptome für sexuellen Missbrauch. Es gibt jedoch eine Reihe von Hinweisen, die einen Verdacht entstehen lassen und Erwachsene auf die Not eines Mädchens aufmerksam machen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um plötzliche Veränderungen handelt. Die aufgeführten Symptome können jedoch auch ganz andere Ursachen haben.
Mögliche Hinweise
Mögliche körperliche Verletzungen
z. B. striemenartige Verletzungen an der Innenseite der Oberschenkel, Verletzungen im Genitalbereich, Hämatome und Bisswunden, Wundsein am After und oder an/ in den Genitalien, Ausfluss oder Pilzerkrankungen
Mögliche körperliche und psychosomatische Folgen
z. B. Schlaf – und Konzentrationsstörungen, Sprachstörungen, Hauterkrankungen, Bauch – und Unterleibsschmerzen unklarer Herkunft, Bettnässen, Migräne, Schwangerschaft, Blutungen, hormonelle Veränderungen, Asthma, Essstörungen
Mögliche emotionale Reaktionen
z. B. diffuse Ängste und Phobien, Entwicklungsrückfälle, aggressives Verhalten, Kontaktstörungen, zwanghaftes Verhalten, Ablehnung der eigenen Geschlechterrolle, geringes Selbstwertgefühl, depressive Gefühlszustände, überangepasstes Verhalten, Berührungsängste, Alpträume
Mögliche Formen der Autoaggression
z. B. Selbsttötungsversuche, Nägelkauen, Drogen -, Tabletten – oder Alkoholabhängigkeit, Haare ausreissen, sich Schnittwunden am eigenen Körper zufügen
Mögliche Folgen für das soziale Verhalten
z. B. Einzelgängertum, Verschlossenheit, distanzloses Verhalten, frühreifes Verhalten, Klauen, Lügen, Leistungsverweigerung oder extreme Leistungsmotivation, Beziehungssucht, extrem ohnmächtiges Verhalten/ extremes Machtverhalten, Weglaufen
Mögliche Folgen für die Sexualität
z. B. Sexualisieren von sozialen Beziehungen, exzessive sexuelle Neugierde, offenes Masturbieren, Bloßstellen der Genitalien, Verweigerung/ Negierung sexueller Bedürfnisse, sexuell aggressives Verhalten
Wie gehe ich mit dem Verdacht um?
- bewahren Sie Ruhe – überstürztes Handeln kann dem Mädchen oder der jungen Frau oft mehr schaden als nutzen
- bleiben Sie nicht allein mit Ihrem Verdacht und holen Sie sich Unterstützung bei einer*einem Kolleg*in, die Ihr Vertrauen genießt
- achten Sie auf Ihre eigenen Grenzen – Sie haben das Recht, sich von einer*einem Kolleg*in vertreten zu lassen, wenn das Thema sexuelle Gewalt Ängste oder andere belastende Gefühle in Ihnen verursacht, mit denen Sie nicht umgehen können oder Sie sich aus anderen Gründen mit diesem Thema nicht auseinandersetzen möchten oder können
- besprechen Sie das weitere Vorgehen ihrer Leitung. Diese sollte in Verdachtsfällen informiert sein und Ihre Entscheidungen mittragen
- sprechen Sie den Missbrauchsverdacht nicht direkt an. Signalisieren Sie dem Mädchen oder der jungen Frau, dass sie sich auch bei schlimmen Problemen an Sie wenden kann. Sie können auch äußern, wenn ein bestimmtes Verhalten oder eine Veränderung Ihnen Sorgen macht. Zeigen Sie Ihre Bereitschaft, dem Mädchen oder der jungen Frau zuzuhören
- konfrontieren Sie auf keinen Fall selbst die verdächtige Person. In den häufigsten Fällen erreichen Sie damit nur, dass das Mädchen oder die junge Frau verstärkt zur Geheimhaltung gezwungen wird. Der*die Täter*in wird in der Regel die Tat verleugnen
- holen Sie sich, nach Rücksprache mit Ihrer Leitung, Hilfe bei einer Beratungsstelle – dies ist auch anonym möglich
Hinweise für den ersten Umgang bei Kenntnis
- sprechen Sie eigene Gefühle, wie Erschrecken oder Mitleid nicht an
- seien Sie ehrlich – bestätigen Sie dem Mädchen/ der jungen Frau nur, dass Sie ihr glauben, wenn es so ist
- versprechen Sie dem Mädchen nichts, was Sie nicht auch halten können
- Sie können das Mädchen fragen, wie Sie sie am besten unterstützen können
- beziehen Sie klare Position gegen die Handlungen des*der Täter*in und klären Sie das Mädchen/ die junge Frau über ihre Rechte auf. Sprechen Sie aus, dass der*die Täter*in das nicht tun durfte und dass sie selbst keine Schuld an dem hat, was geschehen ist. Sagen Sie dem Mädchen, dass es auch anderen Mädchen/ jungen Frauen so geht und dass es mutig ist, dass sie gesprochen hat
- bieten Sie Ihre Hilfe an, aber überstürzen Sie nichts – das Mädchen/ die junge Frau lebt in der Regel schon eine Zeit lang mit dem Erlebten. Teilen Sie dem Mädchen mit, wenn Sie vorhaben, eine Person Ihres Vertrauens einzuweihen. Versprechen Sie dem Mädchen Verschwiegenheit nur dann, wenn sie es einhalten können
- das oberste Ziel ist der Schutz des Mädchens/ der jungen Frau
Angebote für Mädchen und Jugendliche
Nicht jedes Mädchen oder jede Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erfahren hat, benötigt eine Beratung oder Therapie.
Oftmals ist es ausreichend, dass sie einen oder eine Erwachsene gefunden hat, der oder dem gegenüber sie das Schweigen brechen und sich anvertrauen kann. Wichtige Erfahrungen für die Betroffene sind hierbei, dass ihr geglaubt wird und dass sie ernst genommen wird. Wichtig ist auch, dass sie erfährt, dass sie nicht schuld ist und dass Sie sie nicht verurteilen.
Wenn sich ein Mädchen oder eine Jugendliche Ihnen gegenüber anvertraut hat, zeigt dies, dass sie Ihnen gegenüber großes Vertrauen entgegen bringt.
Für psychosoziale Fachkräfte löst das Erfahrene oft einen hohen Handlungsdruck aus. Sie glauben, die beste Form von Hilfe sei eine fachliche Betreuung in form einer Beratung oder Therapie. Oft unterschätzen sie dabei die Bedeutung ihrer eigenen Rolle oder gehen von dem Druck aus, unter dem sie selbst stehen, seit sie davon erfahren haben.
Mädchen oder Jugendliche, die Ihnen von dem Erlebten erzählen, leben oft schon seit sehr langer Zeit mit dem Erfahrenen und haben einen großen Schritt damit getan, sich Ihnen gegenüber anzuvertrauen.
Überstürzen Sie daher Ihre Reaktionen nicht. Oft ist es möglich, im gemeinsamen Gespräch mit dem Mädchen oder der Jugendlichen herauszufinden, was ihr gut tun könnte.
Zur Klärung dieser Frage können Sie gerne einen Beratungstermin mit dem Mädchen oder der Jugendlichen gemeinsam in unserer Beratungsstelle vereinbaren oder mit ihr die Seiten Mädchen oder Jugendliche unserer Homepage anschauen.
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Berufsgruppe gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen Würzburg“ wurde eine Website erstellt, auf der Sie viele wertvolle Hinweise finden werden.
Sie finden unter www.BerufsgruppeGegenSexuelleGewalt.de folgende Inhalte: Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen – Empfehlungen für Fachkräfte in pädagogischen, psychosozialen und medizinischen Arbeitsfeldern