Flyer und Anmeldeformular
Susanne Nick:
Dr. Susanne Nick, Diplom-Psychologin arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen mit komplexen Traumafolgen und dissoziativer Identität, im Besonderen bei Erfahrungen von organisierter Gewalt. Sie hat die Spezialambulanz für Traumafolgestörungen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) mit aufgebaut und viele Jahre therapeutisch geleitet. Dort ist sie weiterhin tätig und zudem therapeutische Leitung des Hamburger Zentrums für traumatisierte Geflüchtete (centra), UKE.
Parallel dazu arbeitet sie wissenschaftlich. Zunächst als Doktorandin in einem 3-jährigen Forschungsprojekt der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmißbrauchs (UKASK) zu Organisierter und Ritueller Gewalt; Leitung Prof. P. Briken, UKE. Zudem ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der AG „Trauma- und Stressforschung“; Leitung: Prof. I. Schäfer, UKE. Aktuell leitet sie ein eigenes Forschungsprojekt zur besseren Versorgung für Betroffene von organisierter Gewalt, gefördert vom Bundesinnovationsfonds (Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen) des Bundesfamilienministeriums. Auf politischer Ebene ist Susanne Nick als Mitglied im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen aktiv und Expertin in der dazugehörigen AG „Schutz vor Ausbeutung und internationale Kooperationen“, Berlin.
Vortrag Susanne Nick:
„Organisierte sexualisierte Gewalt und Ausbeutung
Ergebnisse aus zwei Online-Studien zu den Erfahrungen von Betroffenen und psychosozialen Fachpersonen“
Komplexe Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen gehen oft mit sexualisierter Gewalt einher. Dabei handelt es sich teilweise um organisierte Formen an Gewalt, die systematisch und mit Beteiligung von mehreren vernetzten Tätern/auch Täterinnen erfolgen. Bisher besteht ein Mangel an wissenschaftlich erfassten Erkenntnissen und Studien sowie an passenden Versorgungsstrukturen. Zugleich haben Betroffene oft einen vielseitigen Hilfebedarf und ihre Begleitung ist für Fachkolleg:innen in Ermittlungsbehörden, Opferschutz und Gesundheitssystem entsprechend herausfordernd. In diesem Vortrag werden zentrale Ergebnisse aus einem – unterdessen abgeschlossenen – dreijährigen Forschungsprojekt zu organisierter sexualisierter Gewalt in Deutschland vorgestellt. Dabei wird es um die Kontexte der Gewalt, die psychischen Folgen, die Inanspruchnahme der Regelversorgung, sowie um Herausforderungen und Ressourcen aus Sicht von Betroffenen und interdisziplinären Fachpersonen gehen. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen und fachlichen Entwicklungen diskutiert.
Luise Reddemann:
Von 1985 bis Ende 2003 leitete ich als Fachärztin für psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytikerin die Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld. Mein Interesse galt dort von Anfang an der Behandlung von Menschen mit schweren Traumatisierungen und deren Folgen und so entwickelte ich dort gemeinsam mit dem Behandlungsteam der Klinik die „Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie“, PITT, die ich seit meinem Ausscheiden aus der Klinik Ende 2003 kontinuierlich weiterentwickelt habe.
Bis zu meinem Weggang aus Bielefeld war ich ab 1993 auch als Lehranalytikerin der DPG und DGPT an dem von mir mitbegründeten Institut für Psychoanalyse Ostwestfalen tätig.
Ich integriere Elemente der buddhistischen Psychologie in meinen therapeutischen Ansatz Achtsamkeit, Mitgefühl und das Konzept eines heilen Kerns („Buddha-Natur“) spielen eine wichtige Rolle und ich verbinde die psychodynamische Arbeit mit diesen Elementen.
Mein Interesse galt stets einer integrativen Psychotherapie, so verstehe ich meine Arbeit als angewandte Psychoanalyse, die kognitiv-meditative, imaginative, erlebnisorientierte Elemente aus anderen Schulen nutzt, wenn sich dies als notwendig und sinnvoll erweist. Grundlegend ist Mitgefühl. Der Einsatz für eine frauengerechte Psychotherapie ist mir seit Jahrzehnten ein Anliegen. Seit Juni 2007 bin ich Honorarprofessorin für Psychotraumatologie und psychologische Medizin an der Universität Klagenfurt.
Vortag Luise Reddemann:
„52 Jahre psychotherapeutische Arbeit – Eine Bilanz“
Christina Fischer:
In der Zusammenarbeit mit Therapeuten habe ich bei der Bearbeitung meiner persönlichen Geschichte erfahren, wie wichtig es ist, Werkzeuge und Ideen an die Hand zu bekommen, die mir im Alltag helfen, meinen Weg zu gehen. Wegen dieser Erfahrungen, die ich vor und vor allem während meiner Therapien gemacht habe, ist es mir ein Anliegen, Menschen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, wie ich gestanden habe, Mut zu machen und zu unterstützen.
Christina Fischer, Jg 1975, Heilpraktikerin Psychotherapie (Logotherapie und Existenzanalyse) leitet seit mehreren Jahren Peergruppen für Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen und bietet Workshops für psychosoziale Fachkräfte zu dem Thema „Dissoziative Störungen aus Sicht von Betroffenen“ an. Als Ausbilderin engagiert sie sich in der Psychosoziale Notfallseelsorge sowie als Beraterin für Menschen in akuten Krisen. Derzeit ist die Biologin und Erlebnispädagogin hauptberuflich als angestellte und zertifizierte Trainerin in der Erwachsenenbildung unterwegs und begleitet unterschiedliche Zielgruppen zu verschiedenen Themen in ihrer Entwicklung.
Vortrag Christina Fischer:
„Was vom Tage übrig bleibt“ – dissoziatives Erleben aus Betroffenensicht
Ich lade Sie zu einem Perspektivwechsel ein! Es geht um einen Alltag, in dem die Begegnung mit Menschen, mit Situationen manchmal fast unmöglich scheint: alles zersplittert und fällt auseinander, Kontakt geht verloren, Zeit verdreht sich, Erinnerungen an vergangene Stunden oder Tage fehlen, mitten in der Bewegung ist keine Bewegung mehr möglich.
Durch Reize von Innen und von Außen verschwindet der Bezug zum Hier und Jetzt und Reaktionen erscheinen für Außenstehende aber auch für Betroffene selbst befremdlich. Der Vortrag gibt einen Einblick in das (veränderte) Erleben auf die Welt, auf sich selbst und auf Andere aus Sicht von Menschen mit dissoziativen Phänomenen. Dies ermöglicht Ihnen, ein vertieftes (emotionales) Verständnis für die Situation von Klienten und KlientInnen – und Sie bekommen Anregungen für die Begegnung auf Augenhöhe.
Folgende Leitfragen beschäftigen uns:
- Aus Sicht von Betroffenen: Welche Herausforderungen und Schwierigkeiten gibt es im Alltag? Wie gehen Betroffene damit um? Wie kann das Innenleben aussehen? Welche Auswirkungen hat das auf Beziehungen, auf Tagesstruktur und auf Beziehungen? Was ist besonders störend, was besonders hilfreich?
- Für Sie als BeraterInnen in der Begegnung mit Betroffenen: Mit welchen Themen und Beschwerden kommen Betroffene zu Ihnen? Wie gelingt Kontakt? Woran erkennen Sie, wo Betroffene gerade stehen? Wie und mit welchen Interventionen können Sie Klienten und Klientinnen sowohl unmittelbar als auch langfristig unterstützen?
Workshops:
Workshop 1 Luise Reddemann – „Imagination als heilsame Kraft“ Einblick in die Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie (PITT ©)
Der von Frau Prof. Dr. Luise Reddemann entwickelte Therapieansatz PITT (Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie) zur Behandlung von Traumafolgestörungen integriert Aspekte der angewandten Psychoanalyse, der kognitiven Verhaltenstherapie sowie imaginative Verfahren und Prinzipien der Achtsamkeitsmeditation. Die Therapie ist in drei Phasen gegliedert: Stabilisierung, Traumabearbeitung, Integration. Im Fokus stehen die Ressourcen des Patienten/ der Patientin und das Konzept der Selbstregulation und Selbstheilung. Es wird ein imaginärer Raum (eine „innere Bühne“) geschaffen, in dem die Selbstbeziehung der Patientin angeregt und der Heilungsprozess in Gang gesetzt werden kann.
Der Workshop soll einen Einblick in den von Frau Reddemann entwickelten Therapieansatz PITT© und den dazugehörigen imaginative Übungen geben.
Workshop 2 Christina Fischer – „Zurück in die Gegenwart” – Betroffene mit dissoziativen Phänomenen unterstützen
Der Schwerpunkt bei der Arbeit mit Betroffenen liegt stets darauf, diese dabei zu unterstützen, mehr ins Hier und Jetzt zu kommen, sich zu erden und selbst wieder ins Gleichgewicht bringen zu können. Dies ist neben Psychoedukation das zweite zentrale Element in Stabilisierungsgruppen für Betroffene.
Der Workshop bietet einen geschützten Raum, das Erleben von Betroffenen noch einmal vertiefend nachzuvollziehen und Fragen zu stellen. Darüber hinaus können Sie selbst spielerisch Übungen erproben, die Betroffenen helfen, sich zu stabilisieren und zu re-orientieren. Durch den Austausch über Ihr eigenes Erleben und die gemeinsame Reflektion der Wirkung, erhalten Sie Anregungen, wie und zu welchen Zeitpunkten sie diese und andere Übungen in der Arbeit einsetzen können.
Der Workshop hat folgende Schwerpunkte
- Welche Interventionen sind für Betroffene hilfreich?
- Welche Übungen und Angebote können Sie einsetzen – und wann?
- Wie gestalten Sie Psychoedukation für Betroffene?
- Wie können Sie gut für sich selbst im Kontakt mit Betroffenen sorgen?
Workshop 3 Gisela Höhl „Ambulante Psychotherapie nach schweren Gewalterfahrungen“
Was brauchen Mädchen und Frauen aus der Erfahrung von schwerer Gewalt heraus in der therapeutischen Begleitung? Äußere Sicherheit, d.h. heute keine Gewalt oder Bedrohung mehr erleben zu müssen und eine tragfähige, sichere therapeutische Arbeitsbeziehung sind Voraussetzung um sich auch im Inneren wieder oder zum ersten Mal sicher fühlen zu können.
Im Workshop wird der Fokus darauf ausgerichtet sein, konkrete Schritte zu mehr Sicherheit und Schutz, die mithilfe einer Therapie gegangen werden können, kennenzulernen. Mit der Zunahme von äußerer Sicherheit wird eine Stabilisierung ermöglicht, die gefördert wird durch Reorientierungsstrategien und gezielte Stärkung von Ressourcen. Sie werden hilfreiche Anregungen für diese Phase einer traumaspezifischen ambulanten Behandlung bekommen und wir werden uns auch mit den besonderen Herausforderungen und Belastungen in der Therapie von schwerer Gewalt betroffenen Frauen auseinandersetzen.
Gisela Höhl ist Dipl. Sozialpädagogin, Focusing- und Traumatherapeutin, langjährige Mitarbeiterin bei Wildwasser Würzburg e.V., tätig in eigener Praxis.
Workshop 4 Kirsten Böök „Möglichkeiten und Grenzen beim Schutz von Opfern mit komplexer Gewalterfahrung im Strafverfahren“
Man hebt die Symptomatik komplex traumatisierter Menschen in der Regel nicht durch „Darüber Reden“ auf. Vielmehr birgt die Konfrontation mit der Gewalterfahrung ohne vorherige therapeutische Bearbeitung Gefahren. Dass Erinnerte kann so aktualisiert werden, dass die Betroffenen es nicht mehr verarbeiten können. Wichtig sind deshalb zunächst eine Stabilisierung und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Gleichzeitig wird aber immer wieder behauptet, dass eine Therapie vor dem Strafverfahren die Glaubwürdigkeit der Betroffenen beeinträchtigt. Und mit dem Setting eines Strafverfahrens geht allgemein nicht das Bild des Erlebens von Selbstwirksamkeit einher…. Der Workshop will die Möglichkeiten und Grenzen des Strafverfahrens ausloten, mit etwaigen Mythen aufräumen und mit den Teilnehmer*innen erarbeiten, welche Wünsche an ein besseres Verfahren bestehen und wie diese realisiert werden können.
Kirsten Böök ist Juristin und leitet im Justizministerium Niedersachsens eine Referatsgruppe zum Thema Prävention und Opferschutz. Sie ist Mitautorin des Buches „Trauma und Justiz“ (unter Kirsten Stang) und seit Jahren interdisziplinär tätig. So leitet sie Fortbildungsveranstaltungen für Therapeut*innen und Richter*innen, sie hat bereits zahlreiche Vorträge zum Thema Justiz und Therapie gehalten.
Workshop 5 Claudia Igney Organisierte und rituelle Gewalt – Unterstützung für Betroffene
Die Begleitung von Betroffenen organisierter und ritueller Gewalt kann viele Herausforderungen mit sich bringen: noch bestehender Täterkontakt, Ausstiegsbegleitung, Dissoziative Identitätssstruktur bei den Betroffenen und vieles mehr.
Wie kann Unterstützung trotzdem gelingen? Was wünschen sich Betroffene? Was ist bei interdisziplinärer Kooperation zu beachten? Und was brauchen wir Helfenden?
Der Workshop möchte Mut machen, sich diese Arbeit zuzutrauen. Claudia Igney, Sozialwissenschaftlerin (M.A.), Projektleiterin im Bundesmodellprojekt „Wir vor Ort gegen sexuelle Gewalt“ (Träger: DGfPI e.V.) und seit mehr als 20 Jahren tätig bei „VIELFALT e.V. – Information zu Trauma und Dissoziation“ in der Beratung von Menschen mit Dissoziativer Identitätsstruktur (www.vielfalt-info.de). Autorin von Fachtexten und Informationsbroschüren zur Unterstützung von Menschen mit DIS und zum Thema Organisierte und Rituelle Gewalt. Außerdem Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit, u.a. als Mitglied im Fachkreis „Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ beim Bundesfamilienministerium (2016-2018) und seit 2020 in einer AG des Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.
Workshop 6 Sigrid Patzak „Klinische Traumatherapie – die Anwendung eines inneren Anteilemodells“
In diesem Workshop werden Sie in das Konzept des Anteilemodells, angelehnt an die Theorie der Strukturellen Dissoziation nach E. Nijenhuis et al., eingeführt, das in der Behandlung von, meist von komplexer Gewalt, betroffenen Frauen in der Psychosomatik in Nürnberg angewandt wird. Mithilfe von Übungen haben Sie die Gelegenheit sich durch eigenes Erleben damit etwas vertraut zu machen und gemeinsam über das Stärkungs- und Heilungspotential, das in diesem Ansatz enthalten ist, zu reflektieren. Auch Aspekte der Selbstfürsorge für uns als professionell Begleitende werden im Workshop enthalten sein.
Sigrid Patzak ist Dipl. Pädagogin, körperorientierte Focusingtherapeutin und Traumatherapeutin (HPG). Sie arbeitet in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Nürnberg Nord.
Workshop 7 Isabel Seutter „Ambulant betreutes Wohnen mit komplex traumatisierten Frauen“
In dem Workshop werden wir Ihnen zunächst die Arbeitsweise von eigenMächtig e.V. vorstellen – unser Konzept, unsere Haltung, unsere Fragezeichen und Grenzgänge. Darauf aufbauend möchten wir mit Ihnen ins Gespräch darüber kommen, was eine gute Unterstützung von komplex traumatisierten und hoch dissoziativen Frauen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens ausmachen könnte, wo die Fallstricke sind, wo die Grenzen liegen, was es unbedingt braucht damit wir (langfristig) eine gute Arbeit machen können.
Referentin Isabel Seutter von eigenMächtig e.V., Kassel. eigenMächtig ist ein kleiner Träger, der sich im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens auf die feministisch-parteiliche Arbeit mit traumatisierten Frauen und Trans* spezialisiert hat. Die Arbeit mit komplex traumatisierten und hoch dissoziativen Klient*innen ist ein Schwerpunkt.